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Loslassen und das Wachstum des Lebens

Autorenbild: Mental RockerMental Rocker

Aktualisiert: 17. Aug. 2023




Iunserem ersten Seminar "Lebe mit leichtem Gepäck" steht das Thema Loslassen im Fokus. Doch was bedeutet Loslassen eigentlich? Es hat nichts damit zu tun, Ereignisse aus unserem Leben zu streichen. Das ist schlichtweg unmöglich, da unsere gesamten Erfahrungen in unserem Unterbewusstsein gespeichert sind. Es geht beim Loslassen auch nicht darum, zu verlieren oder besiegt zu werden. Vielmehr bedeutet Loslassen, seine Vergangenheit zu akzeptieren und sich dem Gefühl hinzugeben, es einfach sein zu lassen. Eine hilfreiche Methode dabei ist, den Geschehnissen einen neuen Blickwinkel und eine neue Bewertung zu ermöglichen. Warum schreibe ich über dieses Thema? Weil das Loslassen eine bedeutende Rolle in meinem Leben spielt. Es hat Jahrzehvnte gedauert, bis ich es verstanden habe, aber seitdem fühle ich mich "frei und glücklich".

Ein Schlüsselsatz, den ein weiser Mann mir einst mit auf den Weg gab, lautet: "Kein Mensch handelt für sich selbst falsch. In dem Moment, in dem jemand etwas tut, ist es für ihn selbst richtig. Ob es Minuten später immer noch richtig ist, bleibt abzuwarten. Aber in dem Moment des Handelns war es so." Diese Worte haben mir geholfen, das Loslassen zu verstehen.

Nun möchte ich euch einen tiefen Einblick in meine eigene Seele gewähren und einen Teil meiner Vergangenheit offenlegen, um euch zu zeigen, wie ich mit dem Loslassen umgegangen bin. Dabei ist es mein Ziel, die Ereignisse so wertfrei wie möglich zu schildern, und ich bitte euch, dies ebenfalls zu tun.

Meine Mutter wuchs mit drei Geschwistern in einem dominanten und nicht gerade gewaltfreien Elternhaus auf, das von meiner Großmutter geprägt war. Alle vier Kinder versuchten so schnell wie möglich aus diesem Umfeld auszubrechen. Mein Bruder ging nach seiner Lehre direkt nach Hamburg, meine jüngste Schwester versuchte, Saisonarbeit zu finden, bis man sie unfreiwillig zurückholte. Meine Mutter lernte bereits in jungen Jahren einen gleichaltrigen Mann kennen und heiratete ihn. Das war für sie ein willkommener Ausweg. Etwa ein Jahr später wurde ich geboren. Wie so oft in jungen Ehen, hielt diese nicht stand, und mein Vater verließ die Familie. Ich konnte das immer nachvollziehen, genauso wie ich die Entscheidung meiner Mutter verstehen konnte, mich vorerst bei meinen Großeltern zu lassen, um sich ein neues Leben aufzubauen. Was ich jedoch sehr lange Zeit nicht verstehen konnte und bis in meine Vierzigern mit mir trug, war, dass sie mit einem neuen Mann eine neue Familie gründete und mich einfach vergaß zurückzuholen, obwohl sie nur drei Kilometer entfernt lebte. So wurde ich in genau der Art von Erziehung aufgezogen, vor der sie und ihre Geschwister geflohen waren. Meine Erziehung war alles andere als einfach, und meine Großmutter bediente sich gerne des Kochlöffels oder des Teppichklopfers als "überzeugende" Argumente. Ich durfte nur einen einzigen Freund haben, und dieser durfte nicht in die Wohnung kommen.

Jahrelang versuchte ich meinen Platz in der Familie meiner Mutter zu finden. Doch es tat jedes Mal weh, denn ich spürte immer, dass ich ein Fremdkörper war und nicht wirklich dazugehörte. Auch meiner Großmutter konnte ich nicht verzeihen.

Dann kamen die Worte des weisen Mannes, und ich begann zu verstehen. Mir wurde klar, dass das, was passiert war, nichts mit mir zu tun hatte. Ich verstand, dass meine Mutter ihre eigenen triftigen Gründe hatte, so zu handeln. Ich begann, positive Gründe zu suchen, warum sie mich bei meinen Großeltern gelassen hatte.

Eines Tages überkam mich ein starkes Gefühl. Ich spürte, dass ich einen Brief schreiben musste, und das tat ich dann auch. In diesem mehrseitigen Brief an meine Mutter versuchte ich ohne Anschuldigungen, Vorwürfe oder die Aufforderung nach einer Erklärung, einfach meine Gefühle zu vermitteln und darzulegen, wie ich all die Jahre empfunden hatte und was es mit mir gemacht hatte. Der Brief wurde adressiert, in ein Kuvert gesteckt und abgeschickt. Ich erinnere mich noch genau daran: In dem Moment, als ich meine Gedanken und Gefühle abschickte, konnte ich loslassen und meine Vergangenheit akzeptieren. Es war, wie es war. Es ist Vergangenheit, und diese Vergangenheit gehört zu mir. Doch sie hat nicht das Recht, meine Gegenwart und Zukunft zu bestimmen.

Ich bemerkte auch, dass ich meine Großmutter loslassen musste und mit ihr Frieden schließen wollte. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits verstorben. Ich versuchte mehrmals, ihr am Friedhof einen Besuch abzustatten und ihr zu verzeihen. Doch immer wieder ging ich unverrichteter Dinge, weil ich noch nicht verstanden hatte, dass es nichts zu verzeihen gab. Sie handelte so, wie sie es für richtig hielt, so wie sie es gelernt hatte. Wenn man nicht weiß, dass etwas nicht richtig ist, kann man dann überhaupt etwas falsch machen? Als ich das begriff, geschah dasselbe wie bei meiner Mutter: Ich schrieb ihr einen Brief und legte ihn an ihrem Grab nieder. In dem Moment, als ich den Brief zwischen Grabstein und Mauer platzierte, verspürte ich erneut ein intensives Gefühl der Freiheit. Mit den Worten "Oma, lassen wir es gut sein" verließ ich den Friedhof, und dieses Gefühl hält bis heute an.

Aus meiner Geschichte habe ich viel gelernt. Sie prägt meine Art, Beziehungen zu führen, meine Kinder auf ihrem Weg zu begleiten und mein eigenes Leben so zu gestalten, wie ich es heute tue. Natürlich hätte alles anders sein können, aber wäre ich dann der Mensch, der ich heute bin? Wäre mein Leben so glücklich und erfüllt, wie ich es empfinde?

Ein Lied von Unheilig bringt es auf den Punkt: "Wenn ich heute vor dir stehe und in deine Augen sehe, macht alles einen Sinn, denn ohne deinen Schmerz hätte ich nicht die Kraft gefunden, so zu sein, wie ich heute

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